Sachbücher für Kinder

Wie erklären wir Kindern unsere Welt? Viele Eltern sind froh, wenn sie nicht alle Antworten parat haben müssen, sondern ab und zu auch mal Andere das Erklären übernehmen. Zum Glück gibt es Bücher! Im Zuge des NetGalley Sachbuch-Frühlings sind wir dem Thema Sachbücher für Kinder auf die Spur gegangen und haben drei Expertinnen interviewt: Eliane bloggt auf Mint & Malve über Kinderbücher und Caterina und Kathrin arbeiten beim Thienemann-Esslinger Verlag, der neben vielen anderen Kinderbüchern auch Sachbücher für die Kleinen veröffentlicht. Lesen Sie hier, welche Rolle die Kinder-Sachbücher in der Erziehung spielen, wie sie entstehen, was die aktuellen Favoriten unserer Interview-Partnerinnen sind und vieles mehr!

Die Kinderbuch-Bloggerin

Eliane bloggt auf Mint&Malve

Stell dich doch am besten einmal kurz vor – was sollten wir über dich wissen?

Ich bin von Beruf Politikwissenschafterin und arbeite in der Kommunikation. Mit meinen drei Mädchen und meinem Freund lebe ich im Schweizer Mittelland. Aufgewachsen bin ich am Rhein – mit direktem Blick nach Deutschland – wenn gerade kein Nebel über dem Rhein lag.

Hast du schon von Beginn deiner Buchbloggerinnen-Karriere an Sachbücher für Kinder rezensiert oder hat sich das erst mit der Zeit entwickelt?

Tatsächlich waren unter den ersten Büchern, die ich rezensiert habe, auch zwei Sachbücher: „Gibt es auf der dunklen Seite vom Mond Aliens?“ und „Weltgeschichte für junge Leserinnen“, das nun gerade neu aufgelegt wurde vom Verlag Kein & Aber. Das ist aber nicht bewusst geschehen, sondern einfach, weil mich die Themen interessiert haben. Über die Jahre habe ich festgestellt, dass Themen oft zuerst in Sachbüchern aufgegriffen werden, bevor sie auch Eingang in die erzählenden Kinderbücher finden. Ich weiss nicht, ob das generell so ist, aber in Bezug auf klischeefreie Kinderbücher und neuerdings das Thema Nachhaltigkeit nehme ich das so wahr.

Du bist selbst Mama: Welche Rolle spielen Sachbücher in der Erziehung deiner Kinder? Welche Vorteile bringen sie?

In der Erziehung keine. Weil ich den Begriff nicht mag und lieber mit meinen Kindern in Beziehung trete, schaue, wo ihre Interessen liegen und ihren Wissensdurst in diese Richtung stille oder einfach gemeinsam mit ihnen Neues entdecke. Pädagogische Kinderbücher oder solche, wo ich einen mahnenden Zeigefinger spüre, mag ich überhaupt nicht. Für mich sind Sachbücher – genau wie erzählende Kinderbücher – ein Fenster in die Welt. Durch sie werfen wir einen Blick auf die ganze Vielfalt von Menschen, Tieren, Natur, Kultur und Technik. Ich sehe Bücher als Angebot, das die Kinder wahrnehmen können oder auch nicht, wenn es gerade nicht ihren Interessen entspricht. Zumindest meine Kinder nehmen das Angebot nur zu gerne wahr und sagen auch, in welche Richtung sie sich mehr Bücher wünschen.

Klischeefreies Lesen ist dir ein besonderes Anliegen – hast du das Gefühl, das Angebot an Büchern, die das möglich machen, hat in den letzten Jahren zugenommen? Oder ist es weiterhin problematisch?

Seit die „Good Night Stories for Rebel Girls“ ein Welterfolg waren und in ihrem Windschatten viele weitere Portraitbücher über aussergewöhnliche Mädchen und Frauen – und etwas später auch über Jungen und Männer – erschienen sind, hat sich in der Beziehung schon einiges getan. Das betrifft nicht nur aufgebrochene Geschlechterrollen, sondern auch vielfältigere Familienmodelle, kulturelle und ethnische Diversität. Es darf aber ruhig noch weiter gehen. Sachbücher zu modernen Geschlechterbildern, gegen Body shaming und für mehr Integration sind schön und gut, aber diese Kriterien sollten auch noch mehr zum Alltag in Büchern gehören, die sich nicht speziell mit diesen Themen befassen, sondern irgendeine Geschichte erzählen oder einen anderen Sachverhalt vermitteln. Wenn ich zum Beispiel ein Sachbuch über das Heimwerken vorlese, stellt es mir die Haare auf, wenn der Vater und der Sohn hämmern und sägen, was das Zeug hält, und die Mama darf die Limonade bringen und die Tochter vielleicht was anstreichen. Noch schlimmer, wenn alle abgebildeten Menschen dieselbe Hautfarbe haben.

Was macht eine gute Sachbuch-Rezension für dich aus? Worauf sollte man achten – auch im Unterschied zu einer Belletristik-Rezension?

Bei Sachbüchern für Kinder ist das kein sehr grosser Unterschied. Heute sind ja sehr viele Kindersachbücher von den Illustrationen her gedacht oder diese haben zumindest einen sehr grossen Stellenwert. Und dann gibt es ja auch immer mehr Sachbilderbücher, die gleichzeitig Wissen vermitteln und eine kleine Geschichte erzählen, also praktisch das Beste aus beiden Genres verbinden. Bei Sachbüchern geht es mir vor allem darum, einen Überblick zu geben, was die Kinder oder ältere Leser*innen thematisch erwartet und wie die Information aufbereitet ist – textlich und illustrativ. Auch Sachbücher können ernst oder witzig daherkommen – manche verstecken kleine Witze in den Bildern, sind um humorvolle Dialoge im Comicstil ergänzt oder warten mit lustigen Anekdoten und Kuriositäten auf. Einige sind sogar ganze Graphic Novels (z.B. von Liv Strömquist).
Bei Belletristik für Erwachsene oder Kinder- und Jugendbüchern ohne Illustrationen stehen automatisch das Setting, die Handlung, die Protagonist*innen, die Sprache und der Erzählton stärker im Fokus. Bei allen Besprechungen geht es mir aber vor allem darum, die Leser*innen neugierig auf ein Buch zu machen. Deshalb bespreche ich auch sehr selten Bücher, die mich nicht überzeugen konnten.

Warum hast du (zusammen mit anderen Blogger*innen) 2017 die #kinderbuchchallenge ins Leben gerufen und was waren deine Erfahrungen damit?

Katja von Kakaoschnuten und ich haben damals festgestellt, dass es auf Instagram zwar eine recht lebhafte Community von Bookstagrammer*innen gab und auch viele Mamabloggerinnen (seltener Papablogger), aber dass beide Gruppen fast nie übers Vorlesen sprachen oder Buchtipps gaben. Die meisten Kinderbuchposts stammten von Interiorblogger*innen und waren nicht mehr als nett anzusehen. Die Challenge löste ein riesiges Echo aus. Es kamen über 4‘000 Posts zusammen, was für unsere damaligen Reichweiten gigantisch war. Scheinbar haben wir da einen Nerv getroffen und konnten ein Vakuum füllen. Ich wage zu behaupten, dass wir damit auch ganz viele Kinderbuchblogger*innen angelockt haben, die sich bis dahin eher auf Facebook getummelt haben. Auch sehr erfolgreiche Bookstagrammer wie Flo (@literarischernerd) haben uns unterstützt, haben eigene Posts beigesteuert und so den Wert von Kinderbüchern und vom Vorlesen in Erinnerung gerufen. Besonders froh bin ich, dass mich die ganze Aktion mit so vielen lieben Buchbloggerkolleg*innen zusammengebracht hat (zuerst virtuell, mit vielen inzwischen auch real) und wir heute in ständigem Austausch stehen. Auch das Interesse der Verlage und ihre Präsenz bei Instagram ist seither stark gestiegen.

Auch auf Instagram bist du sehr aktiv. Mit wem tauschst du dich dort am liebsten über Sachbücher für Kinder aus und was macht dir besonders Spaß daran?

Meine Buchbloggerkolleg*innen habe ich ja schon erwähnt. Aber auch der Austausch mit Leuten, die sich für mehr Nachhaltigkeit einsetzen, mit Mamabloggerinnen, DIY-Bloggerinnen, Foodbloggern, mit den Verlagen, mit Podcastern und Journalistinnen macht grossen Spass, weil man sich gegenseitig inspirieren kann, immer wieder andere Schnittstellen hat und gemeinsam Ideen umsetzen kann.

Welches war das liebste Sachbuch deiner Kinder?

Das ist schwer zu sagen, weil immer wieder neue dazukommen. 😉 Was wir wirklich immer und immer wieder zusammen anschauen, ist „Unter der Erde – Tief im Wasser“, ein Wendebuch vom Duo Alexandra Mizielinska und Daniel Mizielinski (Moritz Verlag).

Und dein eigenes? Lernst du auch selbst dazu, wenn du Sachbücher vorliest?

Aktuell „Wie viel wärmer ist 1 Grad?“ von Kristina Scharmacher-Schreiber und Stephanie Marian (Beltz & Gelberg) über den Klimawandel. Oh ja, da lerne ich sehr viel – zum Beispiel, dass gestrandeten Walen nicht so sehr die mangelnde Feuchtigkeit zu schaffen macht, sondern vor allem ihr eigenes Gewicht. Sie erdrücken sich quasi selbst. Oder um ein positiveres Beispiel zu nennen: Wusstet ihr, dass Reiher ihre Puderfedern zerdrücken und sie als eine Art Pflegespülung im Gefieder verteilen? Schönheitspflege für Vögel, das gibt es also!

Der Kinderbuch-Verlag

Stellt euch doch einmal kurz vor!

Kathrin Rau, Foto von Kristijan Matic

Mein Name ist Kathrin Rau, ich bin Lektorin im Gabriel Verlag, ein Imprint des Thienemann-Esslinger Verlags, das sich mit gesellschaftlichen und religiösen Themen beschäftigt. Vom Bilderbuch, über Biografien, erzählenden Kinderbüchern bis hin zum Sachbuch haben wir alles im Programm.

Caterina Katzer, Foto von Kristijan Matic

Ich heiße Caterina Katzer, arbeite in der Presseabteilung des Verlags und kümmere mich vor allem um Bloggerangelegenheiten, Veranstaltungen und eben um NetGalley.

Warum macht ihr Sachbücher für Kinder? Welche Rolle spielen sie?

Kathrin Rau: Wir wollen mit unseren Sachbüchern Wissen vermitteln, sei es zum Klimawandel wie in „Palmen am Nordpol“ von Marc ter Horst und illustriert von Wendy Panders, zu Weltreligionen oder zu Themen wie Tod und Trauer. Kinder sind neugierig und stellen Fragen, auf die vielleicht Eltern manchmal auch keine Antworten haben. Die versuchen wir in unseren Büchern zu beantworten.

Welche Themen sind bei Kindern (und ihren Eltern) aktuell besonders beliebt?

Caterina Katzer: Themen, die in den Medien verstärkt auftreten, werden über die Eltern, das Umfeld und die Schule auch an die Kinder herangetragen und sorgen so für Wissensdurst. Dieser Neugierde versuchen wir mit unseren Büchern zu begegnen und ihnen Fakten an die Hand zu geben. Zentral für Kinder ist auch immer die Frage, wie andere Kinder hier und überall auf der Welt leben und sie vergleichen sich mit anderen. Dieses Bedürfnis stillen wir zum Beispiel mit Büchern wie „100 Kinder“ von Christoph Drösser und Nora Coenenberg oder „Über den Tellerrand – Was Kinder hier und anderswo essen“ von Gregg Segal.

Wie entsteht ein Sachbuch für Kinder? Wie wird das Thema gefunden, was wird alles benötigt?

Kathrin Rau: Wir beobachten zum Beispiel, welche Themen gerade besonderes Interesse hervorrufen, zum Beispiel in der gesellschaftlichen Debatte. Das kann ein Thema wie der Klimawandel sein, Flucht oder das Zusammenleben der Religionen. Dann fragen wir uns: Ist es sinnvoll, dazu ein Buch für Kinder zu machen? Für welche Altersgruppe? Gibt es schon andere Sachbücher zu dem Thema?
Danach beginnt die Suche nach einem Autor/einer Autorin, der/die das Buch schreiben kann. Hier suchen wir entweder Experten, also zum Beispiel einen Religionswissenschaftler für das Thema Weltreligionen oder Wissenschaftsjournalisten. Nicht immer finden wir Autoren, die gleichzeitig Fachleute für ein bestimmtes Thema sind. Falls wir keinen Experten als Autor haben, suchen wir zusätzlich zum Autor einen Experten, der das Buch fachlich begleitet.
Oder, das ist der andere Fall, wir entdecken bei einem ausländischen Verlag ein interessantes Buch und lassen es übersetzen.

Worauf kommt es an, wenn Kindern auf diese Weise die Welt nähergebracht wird?

Kathrin Rau: Ganz wichtig ist, dass gut recherchiert wird, damit hinterher keine sachlichen Fehler im Buch sind. Ebenso, dass die Informationen für das jeweilige Lesealter entsprechend verständlich erklärt und dargestellt werden.

Was ist euch bei Sachbuch-Rezensionen besonders wichtig? Inwiefern habt ihr andere Erwartungen als bei belletristischen Titeln?

Caterina Katzer: Bei Sachbüchern kommt es viel auf die Struktur und die Visualisierungen der Inhalte an, deren Bewertung sollte in jedem Fall ein Bestandteil der Rezension sein. Ist der Aufbau logisch, übersichtlich und führt zum gewünschten Lerneffekt? Ist die Sprache verständlich und dem Alter angemessen? Es ist eklatant wichtig, wie viel letztlich an Wissen hängen bleibt und wie man es anwenden und vielleicht sogar auf andere Bereiche übertragen kann. Das sollte in einer Besprechung resümiert werden.

Welches ist dein liebstes Kinder-Sachbuch aus eurem Programm, Caterina?

Caterina Katzer: Da schlägt mein Herz besonders für „Auf den Spuren der Wölfe“ von Smriti Prasadam-Halls und von Jonathan Woodward eindrucksvoll illustriert. Es zeigt die Lebensumstände dieser beeindruckenden, einfühlsamen, aber oft missverstandenen Tiere, die eine lange Geschichte mit den Menschen verbindet.

Wir bedanken uns ganz herzlich bei unseren drei Interview-Partnerinnen für die spannenden Interviews!

Alle aktuell bei NetGalley verfügbaren Sachbücher für Kinder finden Sie hier.

Sie suchen weitere spannende Beiträge rund um das Thema Sachbuch? Hier finden Sie den #SachbuchFrühling im Überblick!

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